Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses durch den Vermieter nach der Generalklausel des § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB zwecks Durchführung eines sozialen Wohngruppenprojekts durch einen Dritten
Bundesgerichtshof führt seine Rechtsprechung zur Anwendung der Generalklausel bei Wohnraumkündigungen fort (§ 573 Abs. 1 Satz 1 BGB).
Der Bundesgerichtshof hat sich in seiner Entscheidung erneut mit der Frage befasst, unter welchen Voraussetzungen die Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses durch den Vermieter nach der Generalklausel des § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB -
Sachverhalt und Prozessverlauf:
Die Beklagten sind seit dem Jahr 1996 Mieter einer in einem Mehrfamilienhaus gelegenen Wohnung in Rostock, die sie vom Rechtsvorgänger des Klägers angemietet haben. Das Hausgrundstück, das im Jahr 2014 vom Kläger -
Der Kläger ist zugleich an einer Gesellschaft (GmbH) beteiligt, die Trägerin vielfältiger Einrichtungen mit umfassender medizinischer, sozialer, pädagogischer und rehabilitativer Betreuung ist. Diese beabsichtigt, die Gebäude unter Nutzung von Fördermitteln (Investitionsbetrag nach §§ 75 ff. SGB XII pro Tag und Wohnplatz) und ohne finanzielle Belastung für den Kläger im Rahmen eines "Arbeits-
Mit Schreiben vom 01.08.2013 kündigte der Kläger das Mietverhältnis mit den Beklagten nach § 573 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 BGB und begründete dies damit, dass andernfalls das geplante Arbeits-
Die auf Räumung und Herausgabe der Wohnung gerichtete Klage hatte in der ersten Instanz Erfolg. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht das erstinstanzliche Urteil allerdings abgeändert und die Klage abgewiesen, da der Kläger nicht ansatzweise dargelegt habe, welche Nachteile ihm selbst -
Zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht war mit der Umsetzung des Projekts unabhängig von den drei für die streitgegenständliche Wohnung geplanten Wohngruppenplätzen bereits begonnen worden. Es wurden nicht nur das Nebengebäude, sondern auch einzelne Räume des Wohnhauses nach ihrer Sanierung schon zweckentsprechend genutzt.
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die streitgegenständliche Kündigung unwirksam ist, weil weder der vom Kläger geltend gemachte Kündigungstatbestand der Verwertungskündigung (573 Abs. 2 Nr. 3 BGB) vorliegt noch ein berechtigtes Interesse im Sinne von § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB gegeben ist. Der Kläger würde durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses mit den Beklagten -
Auch im nun entschiedenen Fall war einer der typisierten Regeltatbestände des § 573 Abs. 2 BGB, in denen der Gesetzgeber für die praktisch bedeutsamsten Fallgruppen selbst geregelt hat, unter welchen Umständen dem Erlangungswunsch des Vermieters Vorrang vor dem Bestandinteresse des Mieters zukommt, nicht einschlägig. Der vom Kläger zusätzlich zur Generalklausel nach § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB benannte Kündigungstatbestand der Verwertungskündigung (§ 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB) setzt voraus, dass der Vermieter durch den Fortbestand des Mietverhältnisses an einer Realisierung des dem Grundstück innewohnenden materiellen Werts, was in erster Linie durch Vermietung und Veräußerung geschieht, gehindert ist. Nach eigenen Angaben hegt der Kläger jedoch überhaupt nicht die Erwartung, durch die Vermietung des -
Bei Anwendung der danach allein noch in Betracht kommenden Generalklausel des § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB verlangt das Gesetz eine einzelfallbezogene Feststellung und Abwägung der beiderseitigen Belange der betroffenen Mietvertragsparteien. Für die Bestimmung des berechtigten Interesses haben die Gerichte zu beachten, dass sowohl die Rechtsposition des Vermieters als auch das vom Vermieter abgeleitete Besitzrecht des Mieters von der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie geschützt sind. Allgemein verbindliche Betrachtungen verbieten sich dabei.
Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 29.03.2017 entschieden hat, geben die typisierten Regeltatbestände des § 573 Abs. 2 BGB allerdings einen ersten Anhalt für die erforderliche Interessenbewertung und -
Gemessen hieran ist im vorliegenden Fall ein berechtigtes Interesse des Klägers an der Beendigung des Mietverhältnisses nicht gegeben. Dabei kann letztlich sogar offen bleiben, ob sich der Kläger als privater Vermieter überhaupt auf die Gemeinnützigkeit des von der Gesellschaft (GmbH) -
Insgesamt weist die vom Kläger geltend gemachte Interessenlage damit eine größere Nähe zur Verwertungskündigung auf, so dass für die Annahme eines berechtigten Interesses an der Beendigung des Mietverhältnisses erforderlich ist, dass der Vermieter durch die Vorenthaltung der Mieträume einen Nachteil von einigem Gewicht erleidet. Diese Schwelle erreichen die vom Kläger aufgeführten Gründe jedoch nicht. Insbesondere gefährdet die Fortsetzung des Mietverhältnisses nach den vom Berufungsgericht verfahrensfehlerfrei getroffenen Feststellungen die Finanzierung und Verwirklichung des Gesamtprojekts nicht, sondern führt lediglich dazu, dass drei von insgesamt dreiundzwanzig geplanten Wohngruppenplätzen nicht geschaffen werden können.
Vorinstanzen:
Amtsgericht Rostock -
Landgericht Rostock -
BGH, Urteil vom 10.05.2017 -
Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshof vom 10.05.2017